1819: Das Jahr, als Münster auf den Hund kam
Das Gemälde des niederländischen Malers Cornelis Springer zeigt den Prinzipalmarkt in Münster im Jahr 1868. Wer genau hinsieht, kann im Vordergrund drei Hunde entdecken. Der erste ganz rechts im Bild könnte den Händlern am Straßenrand gehören. Der andere in der Mitte scheint das Paar hinter ihm zu begleiten. Und der Hund neben dem Holzfass auf der linken Bildseite ruht sich sich dort offenbar aus.
Tatsächlich erfreuten sich Hunde im 19. Jahrhundert wachsender Beliebtheit. Hunde waren 1819 – das Jahr, als Münster auf den Hund kam und eine entsprechende Steuer einführte – allerdings keineswegs neu in der Stadt. Sie gehörten vielmehr seit langem zum Stadtleben, so wie viele andere von Menschen gehaltene Tiere auch: vom Kleinvieh über Katzen bis hin zu Schweinen, Kühen und Ochsen, die wie Pferde als Zugtiere genutzt wurden.
Als Hunde nun zum Objekt obrigkeitlicher Reglementierung wurden, dachte man in Münster neu über Hunde nach. Waren sie reiner Luxus? Oder nicht doch eher für manche Gewerbe unersetzlich?
Die Einführung der Hundesteuer war jedenfalls nicht unumstritten. Die Akten, die in diesem Zusammenhang angefertigt wurden, liegen heute im Stadtarchiv Münster. Sie geben nicht nur Einblick in ein interessantes Kapitel der Geschichte Münsters, sondern auch in die sich wandelnden Beziehungen von Menschen und Hunden.
Eben das, und nicht nur das zweihundertjährige Jubiläum dieser Tiersteuer, war Anlass für Studierende an der WWU, dieses Kapitel aufzubereiten, nicht als fachwissenschaftliche Arbeit, sondern als ein historify. Ein historify ist eine multimediale Online-Geschichte, die historische Forschungen öffentlich macht. Und deswegen haben wir zunächst auch einmal Leute mit Hunden auf Münsters Straßen gefragt, ob sie irgendetwas über das Kapitel Hundesteuer wissen.
Die Schätzungen der befragten Hundebesitzerinnen und Hundebesitzer fallen unterschiedlich aus: nach dem Zweiten Weltkrieg, in den 1980er Jahren, vor 100 Jahren. Dass die Steuer schon 200 Jahre alt ist, schätzte niemand. Dabei war Münster 1819 nicht mal eine der ersten Städte, die eine Hundesteuer erhoben. Paris oder auch Kassel kassierten eine solche Abgabe bereits vor 1800.
Hunde (ver-)steuern. Warum die Obrigkeit für die Hunde eine Abgabe verlangte
Kann man sich 2019 noch vorstellen, warum der Gemeinderat 1819 beschloss, Hunde zu besteuern? Fragen wir mal nach!
„Weil der Staat halt Geld brauchte“, „um irgendwelche vermeintlichen Kosten zu decken wahrscheinlich“; „Sauberhaltung der Stadt“; „vielleicht wegen der Hundehaufen“; der Hund als „Luxusgegenstand“; „dass nicht verstärkt Hunde gehalten werden“;
unsere Befragten kommen mit ihren Antworten der Sache durchaus näher. Einen Punkt hat aber vor allem die letzte Stimme, denn in der Tat ging es dem damals so genannten Munizipalrat unter dem Stadtdirektor Freiherr von Böselager um die
Verminderung der Hunde und der mit deren Haltung verknüpften Gefahr (1).
Aber inwiefern galten Hunde nun als Problem, welche Gefahren wurden mit ihnen verbunden?
Es gab um 1800 nicht unbedingt mehr Hunde in der Stadt als früher. Aber veränderte Lebensgewohnheiten, die Entdeckung der Stadt als Raum für Freizeit, in der die Einwohnerinnen und Einwohner z.B. flanierten, nicht zuletzt auch dank der neuen Straßenbeleuchtung am Abend, ließen streunende und „beißige“ oder „bösartige“ Hunde zum Ärgernis werden.
Bereits 1818 war deshalb in Münster die Leinenpflicht eingeführt worden (2). Doch die Leine erwies sich bei solchen Hunden, die von Gewerbetreibenden genutzt wurden, als unpraktisch.
Als Arbeitstiere genutzt wurden Hunde von z.B. Marktbeschickern, Fuhrleuten und Lohnkutschern. Wenn diese ihre Hunde nicht anleinen wollten, dann mussten sie ihren Tieren zumindest einen Maulkorb verpassen.
Eine Maulkorbpflicht galt zudem für alle Doggen und ‚Metzgerhunde‘. Auch Windhunde galten wegen ihrer Größe als gefährlich und mussten daher einen Beißhemmer tragen.
Damit man aber überhaupt wusste, welcher Hund einen Besitzer hatte, der nach einer Beißattacke belangt werden konnte, mussten Hunde ein Halsband mit Namen und Anschrift des Halters tragen. Hunde ohne Halsband galten als „herrenlos“ oder „verwildert“ und damit als Fall für den städtischen Henker, der die Streuner einfing und für 24 Stunden festhielt. Meldete sich der Besitzer nicht innerhalb dieser Frist, um seinen Hund gegen ein „Fang=Geld“ von 12 „Guten Groschen“ auszulösen, wurde das Tier getötet.Die Tötung ‚wilder‘ Hunde hatte auch damit zu tun, dass im späten 18. Jahrhundert, unter den Vorzeichen der Aufklärung, Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Seuchen unternommen wurden, darunter auch besonders gegen die Tollwut.
In Kirchen, Parks oder solchen Orten schließlich,
welche dem Publikum zum Vergnügen oder zur Erholung dienen (3)
sollten die Bürgerinnen und Bürger ebensowenig auf Hunde treffen, wie ihnen der Anblick von läufigen Hündinnen erspart werden sollte.
Kurzum: In der Problematisierung der Hunde um 1800 spiegelten sich veränderte Einstellungen zur öffentlichen Sicherheit, zur Hygiene und sogar zur Sexualmoral.
Die am 9. Februar 1819 mit der Meldung im Münsterischen Intelligenzblatt in Kraft getretene Hundesteuer reihte sich ein in die Versuche, die nunmehr als Problem betrachteten Tiere unter Kontrolle zu bringen. In der Tat ging es darum, die Hundehaltung durch ihre Besteuerung unattraktiv zu machen.
Dieses Ziel wurde freilich nicht erreicht. Das zeigte sich schon daran, dass die Steuer in den folgenden Jahren mehrfach revidiert und nachjustiert wurde. Bereits 1824 trat eine veränderte Fassung in Kraft.
Dennoch hatte die Hundesteuer eine Reihe von Folgen: Sie schuf eine Zweiklassengesellschaft, und zwar sowohl auf Seiten der Menschen wie auf Seiten der Hunde. Es gab von nun an Familien, die sich einen oder mehr Hunde leisten konnten und wollten und solche, die das weder konnten noch durften: Denn wer
aus irgend einem Armen= oder Verpflegungsfonds Unterstützung erhält, darf bei Verlust der Unterstützung einen Hund durchaus nicht halten (4).
Und bei den Hunden unterschied man nun zwischen solchen, die einen zweifelsfrei zu identifizierenden Herrn hatten (Frauen als Besitzerinnen hatte die Verwaltung damals nicht im Sinn) und solchen ohne Halsband, die der Henker im Zweifel totschlug.
Wie Hunde besteuert wurden
Die Verordnung wegen Erhebung einer Hundesteuer sah vor, dass jeder Besitzer eines Hundes
ohne Rücksicht des Alters und der Race (5)
für 16 Gute Groschen eine Hundemarke aus Blech zu erwerben und an dem bereits obligatorischen Halsband des Tieres zu befestigen hatte. Die jährlich bei der Stadtkasse zu entrichtende Steuer entsprach ungefähr dem doppelten Wochensold eines Soldaten. Die Steuerhöhe galt als vorläufig, konnte von der Kämmerei also bei Bedarf angehoben werden.
Mit Halsband und Marke erhielten die Hunde Markierungen, durch die sie leicht als ordnungsgemäß angemeldet zu erkennen waren. Bei der Kontrolle der Steuerpflicht setzte die Obrigkeit wiederum aktiv auf die Mitwirkung der Stadtbevölkerung. Das Anzeigen eines Hundes ohne Marke wurde belohnt. Der (im positiven Sinne so genannte) Denunziant erhielt 1/4 der durchaus saftigen Strafe, die der Steuersünder zu entrichten hatten. 3/4 der Strafe gingen an das städtische Waisenhaus. Ob die Erträge aus der Hundesteuer allerdings auch insgesamt
zum Besten der Armen (6)
verwendet wurden, ist die Frage.
Die Hundemarken aus Blech, die eine fortlaufende Nummer und das Stadtwappen trugen, mussten überhaupt erst einmal hergestellt werden. Mit der Anfertigung von 900 Stück beauftragt wurde der Sporenmacher Caspar Diedrich Haape, also ein auf Kleinmetall spezialisierter Schmied. Die Menge an Marken reichte, wie gleich zu sehen ist, für den Anfang, aber nicht auf lange Sicht.
Die Hunde der Bürokratie
Hundemarken am Tier waren das eine. Zur ordnungsgemäßen Anmeldung und Versteuerung der Tiere gehörten aber auch An- und Abmeldescheine. Sie waren versehen mit einer Steuernummer, der Adresse und dem Namen des Hundehalters sowie der Rasse des Hundes. Während der Halter diesen Schein mit nach Hause nahm, führte die Stadtkämmerei ihrerseits Listen mit gleichlautenden Informationen.
"Verzeichnis der vorgefundenen Hunden in der Stadt Münster im Jahre 1824"
Die erste Liste wurde 1824 jedoch von Amts wegen erstellt. Sie verschaffte der Obrigkeit einen Überblick darüber, wer überhaupt in Münster welche Hunde hielt. Die Erfassung der Halter profitierte dabei von den zeitgleich laufenden Arbeiten am ersten Kataster der Stadt (7). Die Stadtverwaltung wusste nun nicht nur im Detail, wie es um die Eigentums- und Liegenschaftsverhältnisse bestellt war, sondern auch, wo Hundehalter und damit entsprechend Steuerpflichtige anzutreffen waren.
Aus Sicht der historischen Forschung handelt es sich bei dieser Liste um eine ganz hervorragende Quelle, mit denen sich die Hunde ihren Haltern im Detail zuordnen lassen.
Anhand der Liste lässt sich erkennen, wieviele Hunde es 1824 überhaupt gab, in welchen Quartieren der Stadt (den sog. Leischaften) bestimmte Hunderassen besonders häufig vorkamen und vor allem, wem diese Hunde gehörten.
Wir haben die Daten dieser Liste in verschiedenen Hinsichten aufbereitet. Sie zeigen die Anteile der unterschiedlichen Rassen an der Gesamtzahl der Hunde, ihre Verteilung über die Leischaften und auch, welche Halter mehrere Hunde besaßen. Eine interaktive Karte der Stadt Münster in den 1820er Jahren erlaubt schließlich, die Hundebesitzer mit Beruf und Anschrift zu lokalisieren.
Bild: Stadtarchiv Münster: Stadtregistratur Fach 107,Nr.75_1.
Im Vergleich mit anderen Städten waren 589 angemeldete Hunde wenig im Vergleich zu anderen Städten. In Münster kam demnach ein Hund auf etwa 34 Einwohner. In Wien wurden im gleichen Jahr dagegen ein Hund pro 8 Einwohner gezählt.
Aufwändig verzeichneten die Beamten dennoch, um welche Hunderassen es sich handelte. Die Stadtverwaltung unterschied dabei zwischen zehn verschiedenen Rassen. Für die Verwaltung war diese Unterscheidung insofern wichtig, da bestimmte Rassen als besonders gefährlich galten. Diese mussten laut Paragraph 7 der Verordnung von 1824 auf der Straße Maulkörbe tragen.
Hunde-Ahnenforschung, leicht gemacht!
Möchten Sie wissen, ob Ihre Münsteraner Vorfahren vielleicht Hunde hatten? Dann dann schauen Sie mal hier nach. Ein Tutorial erklärt die Bedienung der interaktiven Karte. Zur besseren Ansicht unter der Karte auf ‚Vollbildanzeige‘ klicken. Viel Spaß!
Münsters Hunde
in Zahlen
Die Diagramme zeigen die Verteilung der verschiedenen Hundearten auf die historischen Stadtteile (die „Leischaften“) Münsters auf Grundlage des Registers von 1824. Mit Klick auf die Pfeile oder die Leiste oben lässt sich zwischen den Stadtteilen oder den Hunderassen blättern. So zeigt sich z. B., dass die beliebtesten Hunde Dackel, Jagdhunde und Bracken waren und diese sich sehr gleichmäßig über alle Leischaften verteilten. Allerdings zeigen sich gewisse Schwerpunkte: Waren die Leischaften Ludgeri, Lamberti oder Martini klare Dackel-Kieze, so waren in Liebfrauen die Bracken deutlich in der Mehrheit. In Aegidii hingegen hielten sich Dackel und Bracken ungefähr die Waage während im Dombezirk die Jagdhunde knapp die Nase vorn hatten. Diese drei Hunderassen dominierten ganz klar in Münster, andere folgten mit großem Abstand (Pudel, Spitze) oder rangierten (im Wortsinn) unter ‚ferner liefen‘ (Doggen, Windhunde, Hühnerhunde).
Wie verteilten sich die Hunderassen in Münster?
Und wie sah es in den einzelnen Vierteln aus?
Die große Mehrheit der insgesamt 531 Hundebesitzer Münsters hielt laut Register nur einen Hund. Einige wenige hielten sich zwei oder mehr Tiere, was auf Wohlstand und eine besondere Beziehung zu den Haustieren hinweist.
Hunderassen als Spiegel der Gesellschaft
Hund war nicht gleich Hund. Nicht immer, aber in vielen Fällen war er auch ein Statussymbol. Es gab sogar Hunderassen, die als typisch weiblich oder männlich wahrgenommen wurden.
Die Einteilung von Hunden in Typen und Rassen war zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch nicht einheitlich. Die Idee, Tiere aufgrund einer systematischen Züchtung einer bestimmten ‚Rasse‘ zuzuordnen und von ‚Mischungen‘ ‚rein‘ zu halten, kam überhaupt erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts auf. Kein Zufall also, dass es 1824 noch keine klare Kategorisierung gab, der die Münsteraner Beamten 1824 bei dem Verzeichnis hätten folgen konnten. So fielen unter „Jagdhund“ sowohl Dackel als auch Bracken und Hühnerhunde, die in Münster jedoch gesondert verzeichnet wurden. Der Mops war dagegen schon eindeutig definiert.
Dackel
Der Dackel war der beliebteste Hund Münsters zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Wie die alte Bezeichnung „Dachshund“ schon andeutet, wurden Dackel ursprünglich für die Jagd auf Dachse und anderes Wild gezüchtet, da sie mit ihren kurzen Beinen und dem länglichen Körper besonders gut in die Baue eindringen konnten. Friedrich Ludwig Walther beschreibt 1817 in „Der Hund und seine Racen“ Dachshunde als „bissige, oft tückische, tapfre aber händelsüchtige Thiere, die ein überaus zähes Leben haben“.
Abb.: Fitzinger, L. J.: Der Hund und seine Racen, Tübingen 1876. Foto: Alina Besser
Jagdhunde
Jagdhunde konnten je nach ihrer spezifischen Aufgabe sehr unterschiedlich aussehen. F. L. Walther nennt 1817 unter dieser Kategorie 7 verschiedene Hunderassen mit nochmals mehreren Variationen. Wer seinen Hund als Jagdhund registrieren ließ, hatte höchstwahrscheinlich auch Jagdrecht inne. Dies war nicht für jeden selbstverständlich, denn vor der Revolution von 1848 war das Jagen streng reglementiert und in der Regel dem Adel, dem Bürgertum und manchmal Studenten vorbehalten.
Fitzinger, L. J.: Der Hund und seine Racen, Tübingen 1876, Tafel 1. Foto: Alina Besser
Bracken
Der historische Name Bracke bezeichnet die heutigen Schweißhunde. Sie gehörten wie auch heute noch zu den Jagdhunden. Es handelt sich dabei um eine der ältesten Rassen Europas, die vermutlich schon im Mittelalter zu diesem Zweck genutzt wurden. Aufgrund ihrer universellen Eignung zur Jagd erfreuten sich Bracken zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht nur in Münster großer Beliebtheit.
Pudel
Pudel wurden vor allem für die Jagd auf Enten gehalten, denn sie galten als apportierfreudig und gingen gerne ins Wasser. In Bertuchs Bilderbuch wird der Pudel außerdem als „ein sehr treues und gelehriges Thier“ beschrieben, dem man „allerhand Künste“ beibringen kann (Bertuch, F. J.: Bilderbuch für Kinder Bd. 3, Weimar 1798, No. 68). Es ist also gut möglich, dass der Pudel schon früh als reiner Haushund beliebt war und nicht unbedingt nur unter Jägern.
Bertuch, F. J.: Der Große Budel aus Tafel 68, Bilderbuch für Kinder Bd. 3, Weimar 1798. Bild: BBF – Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung lizensiert unter CC BY-SA 4.0, https://interlinking.bbf.dipf.de/index.php/Datei:Ad00341_03_070g.jpgSpitze
Spitze waren als Wachhunde beliebt. Sie zählen also als eine der wenigen verzeichneten Rassen nicht zu den Jagdhunden und es ist gut denkbar, dass Spitze auch bei weniger wohlhabenden Teilen der Bevölkerung gelebt haben.
Bertuch, F. J.: Der Spitz oder Wolfshund aus Tafel 68, Bilderbuch für Kinder Bd. 3, Weimar 1798. Bild: BBF – Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung lizensiert unter CC BY-SA 4.0, https://interlinking.bbf.dipf.de/index.php/Datei:Ad00341_03_070c.jpg
Metzger
Metzger hielten Hunde zu verschiedenen Zwecken. Sie sollten das Schlachtvieh treiben, als Zugtiere dienen oder als Aasfresser. Es handelte sich also um Arbeitstiere und häufig wurden starke, als gefährlich angesehene Rassen dafür gewählt, wie die sogenannten Bullenbeißer. Metzgerhunde galten als bissig und wurden in vielen Städten besonders streng reglementiert, wie zum Beispiel in Frankfurt, wo sie im Gegensatz zu anderen Hunden nicht ohne ihre Halter auf die Straße durften. In Münster mussten Metzgerhund laut Verordnung auf der Straße einen Maulkorb tragen.
Bertuch, F. J.: Der Bullenbeisser aus Tafel 64, Bilderbuch für Kinder Bd. 3, Weimar 1798. Bild: BBF – Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung lizensiert unter CC BY-SA 4.0, https://interlinking.bbf.dipf.de/index.php/Datei:Ad00341_03_066d.jpg
Möpse
Der Mops war der Schoßhund der Oberschicht im 18. und 19. Jahrhundert. Ihre große Beliebtheit zeigte sich unter anderem in den exklusiven Mopsorden, die Adlige in vielen Städten Europas gründeten. In der zeitgenössischen Literatur werden Möpse als äußerst unnütz beschrieben. So heißt es über den Mops, er sei „wenig lebhaft, pflanzt sich auch nicht häufig fort, ernsthaft, wie es scheint, aber etwas dumm, mit andern Hunden verglichen“ (Walther, F. L.: Der Hund, Leipzig 1817, S.34), oder auch „man liebt ihn als Stubenhund, wo er aber seiner Trägheit wegen oft ungewöhnlich fett wird“ (Bertuch, F. J.: Bilderbuch für Kinder Bd. 3, Weimar 1798, No. 72 ).
Bertuch, F. J.: Der Mops aus Tafel 72, Bilderbuch für Kinder Bd. 3, Weimar 1798. Bild: BBF – Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung lizensiert unter CC BY-SA 4.0, https://interlinking.bbf.dipf.de/index.php/Ad00341_03_074d
Doggen
Zunächst als Nutztier für die Hetzjagd auf besonders große und gefährliche Tiere wie Bären und Bullen gehalten, entwickelten sich Doggen im 18. Jahrhundert wegen ihrer auffälligen Größe zu einem Statussymbol. Ähnlich wie Möpse und Windhunde waren sie also an der Seite der Oberschicht zu sehen. Sie wurden von der Obrigkeit Münsters jedoch wie Metzgerhunde als gefährlich angesehen und mussten auf der Straße einen Maulkorb tragen.
Bertuch, F. J.: Die Dogge aus Tafel 64, Bilderbuch für Kinder Bd. 3, Weimar 1798. Bild: BBF – Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung lizensiert unter CC BY-SA 4.0, https://interlinking.bbf.dipf.de/index.php/Datei:Ad00341_03_066b.jpg
Windhunde
Windhunde kamen in verschiedenen Größen vor, waren jedoch in jedem Fall ein Statussymbol der Oberschicht. Die großen wurden zur sogenannten „Hohen Jagd“ auf Großwild genutzt, die kleineren als Schoßhunde. Große Windhunde mussten in Münster wie Metzgerhunde und Doggen in der Öffentlichkeit einen Maulkorb tragen.
Fitzinger, L. J.: Der Hund und seine Racen. Naturgeschichte des zahmen Hundes, seiner Formen, Racen und Kreuzungen, Tübingen 1876. Foto: Alina Besser
Hühnerhunde
Hühnerhunde waren beliebt bei der Niederen Jagd, also der Jagd auf Kleinwild wie z. B. Hasen. Halter dieser Rasse hatten also vermutlich ebenfalls Jagdrecht. J. W. Bertuch beschreibt den Hühnerhund als „sanft, gutmüthig und sehr gelehrig“ (Bertuch, F. J.: Bilderbuch für Kinder Bd. 3, Weimar 1798, No. 64 ).
Bertuch, F. J.: Der Hühner- oder Wachtelhund aus Tafel 64, Bilderbuch für Kinder Bd. 3, Weimar 1798. Bild: BBF – Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung lizensiert unter CC BY-SA 4.0, https://interlinking.bbf.dipf.de/index.php/Datei:Ad00341_03_066g.jpg
"Einen Hund zu halten und zwar ohne jede jegliche Abgabe": Wer von der Steuer befreit war - oder zumindest darum nachsuchte
Die Hundesteuer machte fast alle Einwohner der Stadt Münster gleich: Ob Bürger, Adliger, Kleriker, Gelehrter oder Offizier: Wer von diesen Personen einen Hund besaß, brauchte auch eine Hundemarke.
Allerdings kannte die Hundesteuerverordnung eine signifikante Ausnahme: die Metzger. Diese erhielten ihre Marken unentgeltlich (8).
Das war erstaunlich, insofern gerade die Hunde der Metzger traditionell für ein schlechtes Image der Vierbeiner gesorgt hatten und am meisten gefürchtet waren.
Offenbar hatten die Metzger aber gute Lobbyarbeit geleistet, gingen die Verordnungen doch davon aus, dass die Hunde zur Ausübung des Gewerbes nötig seien. Demnach leisteten Hunde beim Viehtrieb unersetzliche Dienste.
Die steuerliche Privilegierung der Metzgerhunde war keine Münsteraner Besonderheit, sondern in vielen Teilen Deutschlands üblich. Aber sie geriet zunehmend in die Kritik. So wurde etwa 1852 im Württemberger Landtag bemerkt, dass ein Viehtrieb auch ohne Hunde gut möglich sei und die Hunde vielfach nur zum Vergnügen auf andere Tiere gehetzt worden seien. Das sei vom „Standpunkte der Humanität“ nicht zu dulden. Im Grund seien Metzgerhunde auch nur ein Luxus und gehörten entsprechend besteuert (9).
Man sieht: Die Besteuerung von Hunden führte nicht einfach zur allgemeinen Problematisierung dieser Tiere, sondern konnte auch frühen Ideen über Tierschutz Vorschub leisten. Auch in Münster war es den Metzgern verboten, Schlachtvieh ohne Grund von den Hunden hetzen zu lassen. Umgekehrt sollten kleinere Hunde vor Überanstrengung geschützt werden:
Schwache und kleine Hunde, wie Pudel, Spitze, kleine Jagd= und Schäferhunde dürfen zum Anspannen nicht gebraucht […] werden (10).
Wenn als Zugtiere große und starke Hunde genutzt wurden, dann sollten diese zwar einen Maulkorb tragen, aber so, dass sie frei atmen und ihre Zunge kühlen konnten.
Die Metzger konnten ihre Steuerbefreiung noch bis ins 20. Jahrhundert erhalten. Andere wandten sich in den frühern 1820er Jahren dagegen vergeblich mit der Bitte an Bürgermeister Johann Heinrich Schweling, ihren Hund von der Steuer auszunehmen. Mit eigentlich guten Argumenten darum gebeten hatten etwa ein Nagelschmied von der Ludgeristraße, dessen Hund immerhin den Blasebalg antrieb (11) oder der Nachtwächter Hils, der ausführte, dass er
zur nächtlichen Stunde in Begleitung eines kräftigen wachsamen Hundes ruhiger die Straßen auf und abzuwandern vermöge
und bei Gefahr rechtzeitig gewarnt werde. Auch würde die Steuer ihn und seine Familie
mit unserem so kargen Gehalt
überaus belasten. Bürgermeister Schweling wies die Bitte damit zurück, dass die Nachtwächterordnung nun einmal keinen Diensthund vorsehe. Auch das Ersuchen einer privaten Jägervereinigung blieb ohne Erfolg (12).
Die Hunde selbst waren übrigens in Bezug auf die Steuer geteilter Meinung – jedenfalls in der Münchner Satirezeitschrift Fliegende Blätter (Nr. 1594, 1876, S. 41ff.). Beim Ersten Hundetag, besucht von Hunden aller Racen und Gattungen zur Aussprache über die neue Steuer, fürchtete der Bauernhund:
Wenn wir besteuert werden, schlagen uns unsere Herrn Besitzer entweder todt, oder sie schinden die Steuer uns am Fressen ab.
Etwas optimistischer sah die Sache dagegen der Jagdhund:
Ich bin für eine Hundesteuer, denn dann steigern wir im Werth und bekommen eine bessere Behandlung.
Einig wurden sich die Hunde am Ende nicht.
Quellen und Literatur
Anmerkungen:
(1) Stadtarchiv Münster, Stadtregistratur, Fach 107, Nr 1.1-a.
(2) Das Zusammenleben von Menschen und Hunden wurde anderswo, etwa in Frankfurt am Main oder Köln, bereits zu Anfang des 18. Jahrhundert reguliert, u.a. mit der auch in Münster geltenden Halsbandpflicht. Eine Steuer führte Frankfurt allerdings auch erst 1803 ein, vgl. Steinbrecher, Fährtensuche, 49-52.
(3) Stadtarchiv Münster, Stadtregistratur, Fach 107, Nr. 1.210.a.
(4) Ebd.
(5) Münsterisches Intelligenzblatt Nro. 12, Dienstag den 9. Februar 1819, Intelligenz-Comtoir auf der Salzstraße Nro. 73, S. 162.
(6) Stadtarchiv Münster, Stadtregistratur, Fach 107, Nr. 1.15.b.
(7) Vgl. Lambacher, Urkataster.
(8) Stadtarchiv Münster, Stadtregistratur, Fach 107, Nr. 1.15.b.
(9) Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten im Jahre 1851/52. Amtlich herausgegeben. Bd. 5, Stuttgart 1852, 145. Sitzung vom 30.07.1852, S. 3441f.
(10) Stadtarchiv Münster, Stadtregistratur, Fach 107, Nr. 1.210.b.
(11) Stadtarchiv Münster, Stadtregistratur, Fach 107, Nr. 187a.f.
Allgemein:
Hilgert, Anton: Die Finanzen der Stadt Münster i.W. von 1816-1908, Leipzig 1910.
Lahrkamp, Monika: Münster in napoleonischer Zeit, Münster 1976.
Lambacher, Hannes (Hrsg.), Overhageböck, Dieter (Bearb.), Das Urkataster der Altstadt von Münster 1828-1830. Grundeigentümer in Karten und Tabellen (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, Neue Folge Bd. 26), Münster 2017.
Möhring, Maren, Das Haustier: Vom Nutztier zum Familientier, in: Das Haus in der Geschichte Europas. Ein Handbuch, hrsg. v. Joachim Eibach / Inken Schmidt-Voges, Berlin / Boston 2015, 389-406.
Steinbrecher, Aline, Fährtensuche. Hunde in der frühneuzeitlichen Stadt, in: traverse. Zeitschrift für Geschichte 3 (2008), 45-59.
Steinbrecher, Aline: Die gezähmte Natur im Wohnzimmer. Städtische Hundehaltung in der Frühen Neuzeit, in: Aline Steinbrecher u. Sophie Ruppel (Hgg.), „Die Natur ist überall bey uns.“ Mensch und Natur in der Frühen Neuzeit, Zürich, 125–142.
Steinbrecher, Aline: Hunde und Menschen. Ein Grenzen auslotender Blick auf ihr Zusammenleben (1700–1850), in: Historische Anthropologie 19, 192–211.
Walter, Bernd, Von der fürstbischöflichen Haupt- und Residenzstadt zur preußischen Provinzialhauptstadt (1815-1835), in: Geschichte der Stadt Münster, hrsg. v. Fran-Josef Jakobi, Münster 1994, Bd. 2, 47-78.
Erarbeitet, getextet und visualisiert von:
Alina Besser, Aaron Hollstein, Corinna Sophie Fernández Moreno, André Krischer, WWU Münster, Masterseminar Neuere Geschichte, Sommersemester 2019
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